Geiger, Abraham
Geiger, Abraham
Rabbiner, Gründer des Reformjudentums
geboren: 24.05.1810 in Frankfurt am Main
gestorben: 23.10.1874 in Berlin
Artikel
Geiger entstammte einer strenggläubigen jüdischen Familie; der Vater war Rabbiner. Schon früh wurden er und sein Bruder Salomon Salman ben Jechiel (1792–1878) für den Beruf eines Rabbiners bestimmt. Seit 1829 studierte er in Heidelberg und Bonn Orientalistik, Philosophie und Geschichte. Aufmerksamkeit erregte der 22-Jährige mit seiner preisgekrönten Schrift: »Was hat Mohammed aus dem Judenthum aufgenommen?«. Sie erschien 1833 in erweiterter Fassung als Buch, und mit ihr wurde er 1834 an der Universität Marburg promoviert. Nach seiner Ordination wurde Geiger 1832 von der jüdischen Gemeinde in Wiesbaden zum Rabbiner gewählt. Die Gemeinde umfasste 49 Familien mit 234 Mitgliedern. Er setzte sich für einen würdevollen Gottesdienst ein, hielt regelmäßig Predigten in deutscher Sprache und nahm sich insbesondere der Erziehung der Kinder und Jugendlichen an.
Geigers Wirken ging weit über die Wiesbadener Gemeinde hinaus. Nach seiner Auffassung sollte das Judentum mit seinen Vorschriften und Riten den Anforderungen der Zeit angepasst werden. Die Überlieferung sollte systematisch unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten überprüft werden. Beibehalten werden sollte nur das, was dieser kritischen Prüfung standhielt. So entstand die »Wissenschaft des Judentums«. 1835 gründete er in Wiesbaden die »Wissenschaftliche Zeitschrift für jüdische Theologie«, in der die Ideen eines fortschrittlichen Judentums veröffentlicht wurden. Die Beiträge stießen bei zahlreichen Rabbinerkollegen auf große Resonanz. Im August 1837 gelang es ihm, 14 Rabbiner nach Wiesbaden zur ersten Rabbinerversammlung zusammenzurufen. In dieser Versammlung sowie in drei weiteren (1844 in Braunschweig, 1845 in Frankfurt am Main und 1846 in Breslau) wurden unter Geigers Führung die Leitlinien für das Reformjudentum in Deutschland entwickelt, die bei traditionsbewussten Rabbinern auf Ablehnung stießen. In Schriften, Predigten und Vorträgen gab er der Reformbewegung Grundlage und Zielsetzung. 1838 verließ Geiger Wiesbaden. Nach Zwischenstationen als Rabbiner in Breslau (1838–1863) und Frankfurt am Main (1863–1869) wurde er schließlich 1870 nach Berlin gerufen. Dort lehrte er 1872–74 an der von ihm und Moritz Lazarus 1870 gegründete »Hochschule für die Wissenschaft des Judentums«, an der Rabbiner liberaler Prägung ausgebildet wurden. Sie wurde im Sommer 1942 von den Nationalsozialisten geschlossen.
Literatur
Auerbach, Jakob; Geiger, Abraham. In: ADB Bd. 8, 1878 [S. 786–793].
Geiger, Ludwig: Abraham Geiger. Leben und Werk für ein Judentum in der Moderne. (1910), Nachdruck Berlin 2001.