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Erster Weltkrieg in Wiesbaden

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Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs traf Wiesbaden in seinem wirtschaftlichen Rückhalt besonders hart: Wegen der Zugehörigkeit zum Festungsbereich Mainz mussten sämtliche Ausländer die Stadt verlassen, auch zahlreiche deutsche Kurgäste kehrten der Stadt den Rücken. Als Ausgleich bemühte sich der Magistrat um Zuweisung möglichst vieler verwundeter Mannschaften und Offiziere. Zahlreiche Schulen, Hotels, das Paulinenschlösschen und Schloss Biebrich wurden in Lazarette umgewandelt, die Zahl der Betten in den städtischen Krankenhäusern wurde aufgestockt.

Schon bei Kriegsausbruch verdoppelten sich innerhalb weniger Tage die Preise für bestimmte Lebensmittel wie Kartoffeln, es kam zu Hamsterkäufen aller Art. Seit 1916 waren Lebensmittel rationiert und wurden nur noch gegen Berechtigungskarten abgegeben. Immer wieder kam es zu spontanen Aufläufen Hungernder. Ein großes Problem war auch der Mangel an Brennstoffen. Um trotz der schwierigen Ernährungslage die Kurgäste in der Stadt zu halten, wurden im Frühjahr 1916 die Fleischrationen der Einwohner zugunsten derer der Kurgäste verkleinert. Der Zorn der Bevölkerung richtete sich daraufhin gegen die »Kurfremden«, vereinzelt kam es zu Ausschreitungen gegenüber Ausländern und auch zu antisemitischen Äußerungen. Vier Volks- und eine Mittelstandsküche wurden eingerichtet. Seit 1915 wurde in Baumschulen und in der Stadtgärtnerei Gemüse für die Krankenhäuser und das Rote Kreuz angebaut, der Kleingartenbau durch Privatpersonen wurde durch die Ausgabe von Saatgut gefördert, die Stadt stellte Grundstücke für den Anbau von Gemüse und Kartoffeln in Eigenregie bereit.

Um die Bevölkerung trotz der Ernährungskrise und der zermürbend langen Kriegsdauer bei Laune zu halten, wurde sie gezielt desinformiert, so über die angeblichen Erfolge der vorrückenden deutschen Armee oder auch mit Berichten über angebliche Gräueltaten der Kriegsgegner. Die Kirchen stellten sich mit Kriegsbettagen und Kriegspredigten in den Dienst der Heeresleitung. Um den Durchhaltewillen zu stärken, wurden im Juli 1915 auf dem Gelände gegenüber dem Hauptbahnhof Modell-Schützengräben errichtet, die die vermeintlich sichere Situation der Soldaten an der Front darstellen sollten. Propagandazwecken diente auch die Aufstellung von erbeuteten Geschützen im Oktober 1915 auf dem Kaiser-Friedrich-Platz.

Die Kurverwaltung bemühte sich um Normalität: Weiterhin wurden regelmäßig Konzerte des Kurorchesters durchgeführt, unterbrochen nur im Winter aufgrund Kohlemangels. Im Königlichen Schauspiel und im Residenztheater wurden Opern und musikalische Abende dargeboten. Drei Kinos sorgten für Zerstreuung.

»Gold gab ich für Eisen« – dieser auf Uhrketten und Ringen eingravierte Merkspruch steht sinnbildlich für die seit Anfang 1915 aufgrund der kriegsbedingten Versorgungsengpässe exzessiv durchgeführten Sammlungen in der Zivilbevölkerung. Auch die mit großem Propagandaaufwand betriebenen Aufrufe, sich an den Kriegsanleihen zu beteiligen, appellierten an den Opferwillen der Bevölkerung. Frauenvereine und das Rote Kreuz waren dabei federführend. Das Rote Kreuz war 1915 auch Auftraggeber für den »Eisernen Siegfried«, eine fast 4 m hohe Nagelungsfigur des Wiesbadener Bildhauers Carl Wilhelm Bierbrauer. Das durch den Verkauf der Nägel eingenommene Geld diente der Unterstützung von Kriegshinterbliebenen und Verwundeten.

Nachdem zu Beginn des Kriegs Arbeitslosigkeit geherrscht hatte, machte sich im weiteren Verlauf ein gravierender Mangel an Arbeitskräften bemerkbar; daher wurden immer mehr Frauen in Rüstungsbetrieben, in der Munitionsindustrie oder auf Straßenbahnen als Schaffnerinnen eingesetzt.

Am 23.10.1918 wurde die Stadt Ziel eines Luftangriffs. Es ereigneten sich mehrere Detonationen, insgesamt sieben Bomben wurden abgeworfen. 13 Personen, darunter mehrere Kinder, kamen ums Leben. Trotz der Niederlage wurden die heimkehrenden Soldaten wie Sieger gefeiert. Die Vorstellung vom Beginn einer besseren Zeit, die viele Menschen mit dem Ende des Kriegs verbanden, wurde allerdings enttäuscht: Arbeitslosigkeit, Hyperinflation und die französische Besatzung mit allen Einschränkungen für die Wirtschaft und das tägliche Leben machten diese Hoffnungen sehr schnell zunichte.

Literatur

Fink, Otto: Wiesbaden so wie es war, Düsseldorf 1976 [S. 58–69].

Müller-Werth, Herbert: Geschichte und Kommunalpolitik der Stadt Wiesbaden unter besonderer Berücksichtigung der letzten 150 Jahre, Wiesbaden 1963 [S. 131–145].

Schmehl, Hendrik: Kriegsausbruch in Wiesbaden 1914. Unveröffentlichte Magisterarbeit, Mainz 2011.

Streich, Brigitte: Die Kurstadt Wiesbaden im Ersten Weltkrieg. In: Engels/Streich/Teske, Erster Weltkrieg [S. 58–79].

Gedenktafeln auf dem Kostheimer Friedhof wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F000-9368, Urheber: Saskia Steltner
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