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Engelberg, Alexander von

Engelberg, Alexander von

Unternehmer

geboren: 20.06.1894 in Mannheim

gestorben: 07.01.1960 in Grindelwald (Schweiz)


Artikel

Sein Vater war der Jurist Friedrich von Engelberg, der als badischer Beamter u. a. 1892 bis 1909 das Landesgefängnis Mannheim leitete und anschließend als Ministerialrat im badischen Innenministerium tätig war. Alexander von Engelbergs Mutter Karoline stammte aus der Unternehmerfamilie Dyckerhoff. Ihr Vater war Rudolf Dyckerhoff, der 1864 zusammen mit seinem Vater Wilhelm Gustav Dyckerhoff und seinem Bruder Gustav Dyckerhoff die Portland-Cementfabrik Dyckerhoff & Sohne in Mainz-Amöneburg gründete.

Alexander von Engelberg besuchte von 1903 bis 1909 das humanistische Gymnasium in Mannheim. Nachdem sein Vater 1909 Ministerialrat im badischen Innenministerium wurde, wechselte er an das humanistische Gymnasium in Karlsruhe, wo er im Juli 1912 das Abitur ablegte. Am 1. Oktober 1912 trat er als Fahnenjunker in das Badische Leibdragoner-Regiment Nr. 12 ein.

1914 bestand von Engelberg an der Kriegsschule in Metz die Offiziersprüfung und wurde zum Leutnant befördert. Im Ersten Weltkrieg wurde er bei einer Kavallerieattacke in der Nähe von Landres in Ostfrankreich an der rechten Hand verwundet. Während seiner Genesung absolvierte von Engelberg in der Fliegerschule Freiburg im Breisgau eine Ausbildung zum Piloten. Bei einem Übungsflug, an dem er als Beobachter teilnahm, stürzte sein Flugzeug ab. Er erlitt eine Wirbelsäulenverletzung und brach sich beide Füße. Aufgrund dieser Verletzungen konnte von Engelberg nicht mehr an der Front eingesetzt werden. In der Rekonvaleszenz nahm er 1916 ein Studium der Geschichte, Literaturgeschichte und Dramaturgie in München auf.

Wegen des allgemeinen Mangels an Offizieren kehrte von Engelberg jedoch noch im gleichen Jahr in die Armee zurück und erhielt ein Kommando bei der politischen Polizei der Militärverwaltung in Bukarest. Aufgrund seines Gesundheitszustandes wechselte von Engelberg auf den Posten eines Kuriers im Büro des deutschen Militärattachés in Bern, wo er bis Kriegsende 1918 blieb. Für seine militärische Leistung wurde Alexander von Engelberg im Ersten Weltkrieg mit dem Eisernen Kreuz II. Klasse und dem Orden vom Zähringer Löwen, einem Badischen Verdienstorden, ausgezeichnet. 1918 erhielt er das Badische Verwundetenabzeichen. 1935 wurde ihm zudem das Ehrenkreuz für Frontkampfer des Ersten Weltkrieges verliehen.

Nach Ende des Ersten Weltkrieges nahm von Engelberg eine kaufmännische Tätigkeit auf. Nach einer vorübergehenden Anstellung im Bankgewerbe und in der Papierfabrikation trat er 1922, in den wirren der Inflation, in das Unternehmen seines Großvaters, die Portland-Cementfabrik Dyckerhoff & Sohne GmbH, ein. Im Jahr 1928 wurde er zum Geschäftsführer ernannt. Das Unternehmen fusionierte 1931 mit der Wicking’schen Portland-Cement- und Wasserkalkwerke AG zur Portland-Zementwerke Dyckerhoff-Wicking AG, die ab 1936 unter Dyckerhoff Portland-Zementwerke AG firmierte. In dieser neu gegründeten Aktiengesellschaft war Alexander von Engelberg ordentliches Mitglied des Vorstandes.

Dem Vorstand der neu gebildeten Aktiengesellschaft gehörten neben von Engelberg dessen Bruder Fritz von Engelberg als Vorstandsvorsitzender sowie Dr. Walter Dyckerhoff als weiteres ordentliches Mitglied, verantwortlich für die Produktion und technische Fragen, an. Hinzu kamen 1936 Josef Kellerwessel und Hans Dyckerhoff als stellvertretende Vorstandsmitglieder. Alexander von Engelberg verantwortete die Bereiche Finanz- und Verbandswesen innerhalb des Vorstandes. Die Vorstandsarbeit war von engem Kontakt und Austausch mit den Kollegen bestimmt. Darüber hinaus hielt Alexander von Engelberg in einem nicht unerheblichen Maße Anteile am Unternehmen.

Nach der »Machtübernahme« der Nationalsozialisten wurde Alexander von Engelberg Mitglied verschiedener NS-Organisationen. So war er als ehemaliger Militärpilot und Privatflieger von 1933 bis 1942 Mitglied des Nationalsozialistischen Fliegerkorps. Von 1934 bis 1945 war der Unternehmer Mitglied der Deutschen Arbeitsfront, also des Einheitsverbandes der Arbeitnehmer und Arbeitgeber im NS-Staat und, seit 1935 zudem Mitglied der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt. Außerdem war er zwischen 1935 und 1939 Mitglied des Opferringes der NSDAP-Gauleitung Hessen-Nassau. Der NS-Opferring war eine Einrichtung der Partei, die der Sammlung von Spenden und sonstigen Zuwendungen für die NSDAP diente. Eine Parteimitgliedschaft war nicht erforderlich. Die Höhe der Zahlungen, die von Engelberg an den NS-Opferring leistete, ist unbekannt. Alexander von Engelberg wurde 1933 Förderndes Mitglied der SS. Die Fördernden Mitglieder der SS bildeten eine Unterorganisation der SS, der auch Nicht-NSDAP-Angehörige beitreten konnten und die der Spendensammlung für den Auf- und Ausbau der SS diente. Mit den in der Regel monatlich zu entrichtenden finanziellen Zuwendungen war kein Formaldienst in der SS verbunden. Die Höhe der Zahlungen, die Alexander von Engelberg an die SS leistete, ist ebenfalls unbekannt.

Alexander von Engelberg geriet trotz seiner zahlreichen Mitgliedschaften aufgrund der NS-Rassengesetze in eine Konfliktlinie zum NS-Staat geriet, da seine Ehefrau Hedwig aus Sicht der Nationalsozialisten »Halbjüdin« bzw. »jüdischer Mischling ersten Grades« war.

1938 wollte sich von Engelberg als Reserveoffizier der neu gegründeten Luftwaffe zur Verfügung stellen. Diesem Wunsch wurde wegen seiner »nicht-vollarischen« Ehefrau nicht entsprochen.

Im Deutschen Reich lebende »jüdische Mischlinge« waren in geringerer Weise von der NS-Judenverfolgung betroffen als sogenannte Volljuden, insbesondere fand die systematische Deportation und Ermordung in den Vernichtungslagern der SS ab 1941 auf sie keine Anwendung. Auch mussten sie sich nicht als Juden kennzeichnen, etwa durch einen »Judenstern«. Gleichwohl bestanden auch gegen sie zunehmend verschärfte Diskriminierungen, etwa bei der Berufswahl. Diese wirkten sich auch auf Hedwig von Engelberg und ihre Kinder aus.

Alexander von Engelberg kam mit der NS-Judenverfolgung auch in einem anderen Zusammenhang in Berührung. Er war von 1932 bis 1945 ehrenamtlich Königlich-Schwedischer Vizekonsul. Die Aufgaben und der Einfluss des schwedischen Vizekonsulats in Wiesbaden waren naturgemäß beschränkt. Das schwedische Konsulat war in von Engelbergs Wohnhaus in Wiesbaden-Biebrich untergebracht und für eigentliche Konsularangelegenheiten, wie Einreisevisa nach Schweden, nicht zuständig. Diese Zuständigkeit lag beim schwedischen Konsulat in Frankfurt am Main. Außerdem bestand für »Reichsdeutsche« kein „Einreisesichtvermerkzwang“ für Schweden.

Alexander von Engelberg hatte nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges über die Festnahme von »polnisch-jüdischen« Staatsbürgern in Wiesbaden berichtet. Er wurde um Unterstützung und den Einsatz für die Juden durch den neutralen Staat gebeten. Er versuchte, bei der Wiesbadener Gestapo durch Vorsprache eine Verbesserung der Situation zu erreichen. Aus Schweden erhielt er Mitteilung, dass für die Juden nichts getan werden könne.

Die Dyckerhoff Portland-Zementwerke AG setzte während des Zweiten Weltkrieges zur Aufrechterhaltung ihrer Produktion infolge der zunehmenden Knappheit an Personal durch Einberufungen zur Wehrmacht Zwangsarbeitskräfte ein. Zwischen 1939 und 1945 waren mindestens 63 Zwangsarbeitskräfte aus Italien, 38 aus Belgien, vier aus den Niederlanden, 24 aus Polen, zwei aus der Tschechoslowakei und 59 sogenannte Ostarbeiter, das heißt Arbeitskräfte aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion und des Baltikums, bei Dyckerhoff eingesetzt. Die Unterbringung dieser Menschen erfolgte u. a. im Lager Kalle. Im Jahr 1943 stellte die Firma Dyckerhoff einen Bauantrag bei der Stadt Mainz zur Errichtung von zwei Baracken zur Unterbringung von sogenannten Ostarbeitern auf dem Firmengelände. Die beantragten Baracken vom TYP RL IV/2 konnten mit maximal 70 sogenannten Ostarbeitern belegt werden. Eine der beantragten Baracken wurde errichtet, jedoch bei einem Fliegerangriff im Sommer 1944 zerstört.

Zwangsarbeitskräfte wurden nicht nur in der Beton- und Zementfertigung eingesetzt, sondern zusätzlich in der Landwirtschaft auf dem zum Firmen- und Dyckerhoff’schen Familienbesitz gehörenden Hofgut Hessler-Hof in Mainz-Amöneburg.

Die Zuteilung und der Einsatz von Zwangsarbeitskräften wurde wie alle zentralen Vorgänge im Unternehmen dem Vorstand und damit auch Alexander von Engelberg zur Kenntnis gebracht und letztgültig entschieden. Der Mangel an Arbeitskräften war bis zu den ersten größeren Bombenschaden am Werk 1944 das zentrale Problem in der Produktion. Wer für die Anwerbung der Zwangsarbeitskräfte im Konzern zuständig war bzw. ob und welchen Einflussspielraum Alexander von Engelberg als Vorstand für Finanzen und Verbandswesen hatte, muss offenbleiben.

Alexander von Engelberg war Teil der obersten Unternehmensführung und relevanter Aktionär der Firma durch seine Funktion mittelbar für die kriegsbedingte Steigerung der Produktion auf Rekordwerte und den damit verbundenen Einsatz von Zwangsarbeitskräften mitverantwortlich.

Nach der deutschen Kapitulation am 8. Mai 1945 distanzierte sich Alexander von Engelberg sowohl unternehmensintern als auch gegenüber der amerikanischen Besatzungsmacht von der NS-Herrschaft. Auch in seinem Entnazifizierungsverfahren positionierte sich Alexander von Engelberg als distanziert gegenüber dem NS-Regime und betonte vor allem die Situation seiner Ehefrau und seiner Kinder.

Von Engelbergs Verweis auf seine diplomatische Tätigkeit für das neutrale Schweden und seine familiäre Situation blieben nicht ohne Wirkung und relativierten aus Sicht der US-Besatzungsadministration seine NS-Mitgliedschaften und seine führende Position in einem rüstungswichtigen Betrieb. Es wurde kein Spruchkammerverfahren gegen ihn eröffnet.

In der Nachkriegszeit war Alexander von Engelberg bis zu seinem Ausscheiden im Jahr 1959 Mitglied des Vorstandes der Dyckerhoff Portland-Zementwerke AG. Er gehörte zu den wichtigsten Akteuren in der deutschen Bauindustrie der Nachkriegszeit. Auf seine Initiative hin vereinigte sich die Zementindustrie im Jahr 1948 im Fachverband Zement Köln, dem er auch als Vorstandsmitglied angehörte.
Zwischen 1948 und 1959 war er Vorsitzender des Bundesverbandes Steine und Erden. Darüber hinaus war von Engelberg Mitglied des beratenden Ausschusses der Montanunion in Luxemburg und Vorsitzender der Aufsichtsräte der Bonner Portland-Zement-Fabrik und der Chemischen Werke Albert in Wiesbaden.

Er gehörte zudem den Aufsichtsraten der Dresdner Bank, der DAMCO Scheepvaart-Maatschappij NV Rotterdam und der Kraftwerke Mainz-Wiesbaden AG an. Alexander von Engelberg war Ehrenpräsident des Fachverbandes Zement und der deutsch-niederländischen Handelskammer in Frankfurt am Main. Ihm wurde 1955 das Große Bundesverdienstkreuz und 1959 das Große Bundesverdienstkreuz mit Stern verliehen. Die Reederei DAMCO gab 1959 einem ihrer Schiffe seinen Namen.

Im Stadtteil Mainz-Amöneburg wurde auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung vom 24. Februar 1966 eine Straße nach dem Unternehmensführer benannt.

Die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden empfahl die Umbenennung der Alexander von Engelberg wegen von Engelbergs Mitgliedschaften in verschiedenen nationalsozialistischen Organisationen (NSFK, Förderndes Mitglied der SS, DAF, NSV, NS-Opferring). Als Mitglied des Vorstandes des Unternehmens Dyckerhoff trug von Engelberg Verantwortung für den Einsatz von Zwangsarbeitskräften innerhalb des Unternehmens. In den Standorten des Unternehmens wurden zwischen 1939 und 1945 Zwangsarbeitskräfte aus Italien, Belgien, den Niederlanden, Polen, der Tschechoslowakei und sogenannte Ostarbeiter eingesetzt. Von Engelberg war somit an der bewussten Schädigung von anderen Personen zwischen 1933 und 1945 beteiligt.

[Der vorliegende Text wurde von Dr. Rolf Faber für die 2017 gedruckte Version des Stadtlexikons Wiesbaden erstellt und 2024 von Dr. Katherine Lukat überarbeitet und ergänzt.]

Literatur

Zeitungsauschnittsammlung Stadtarchiv Wiesbaden, "Engelberg, Alexander von".