Sprungmarken

Dörr, Gottfried

Lehrer
geboren: 27. September 1893 in Mainz-Kastel
gestorben: 27. Mai 1963


Artikel

Dörr war der älteste Sohn des Lokführers Johann Dörr und seiner Ehefrau Elisabeth. Von 1898 bis 1903 besuchte er die katholische Volksschule Mainz-Kastel. Nach einem dreijährigen Besuch der Bischöflichen Marienschule in Mainz wechselte Dörr an das staatliche Realgymnasium in Mainz, wo er 1912 seine Reifeprüfung ablegte. Danach besuchte er den Pädagogischen Kursus in Darmstadt und legte die erste Lehrerprüfung ab. Zwischen 1913 und 1933 war Dörr Lehrer an der Bischöflichen Marienschule in Mainz. Er nahm am Ersten und Zweiten Weltkrieg teil.

Nach der „Machtübernahme“ der Nationalsozialisten 1933 musste die katholische Marienschule schließen und Dörr wurde vom Volksstaat Hessen als Lehrer für die Volksschule in Mainz-Kastel eingestellt. Als Beamtenanwärter erhielt er ein deutlich geringeres Einkommen und wurde von den NS-Behörden regelmäßig auf seine Integrität dem NS-Staat gegenüber überprüft.

Dörr war während des „Dritten Reiches“ Mitglied in verschiedenen NS-Massenorganisationen wie der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt, in der er nach eigenen Angaben für kurze Zeit ein niedriges Amt übernahm.

Nach Ende des Zweiten Weltkrieges geriet Dörr in britische Kriegsgefangenschaft, aus der er am 1. August 1945 entlassen wurde. Anschließend nahm er seinen Dienst an der Volksschule Mainz-Kastel wieder auf, wurde aber am 1. Dezember 1945 auf Befehl der amerikanischen Militärregierung entlassen. Im April 1947 wurde Dörr als „entlastet“ entnazifiziert und am 13. Mai 1947 wieder eingestellt. Ab September 1947 leitete er kommissarisch die Schule in Mainz-Kastel. Am 20. Juni 1949 wurde Gottfried Dörr zum Rektor der Schule ernannt.

Neben und nach seiner Tätigkeit als Lehrer, die er bis zu seiner Pensionierung im April 1959 ausübte, war Dörr in Mainz-Kastel als Heimatforscher aktiv. Seine wichtigste Veröffentlichung „Geschichte von Kastel“ erschien 1960. Im Buch beschreibt Dörr die unmittelbare Nachkriegszeit in Mainz-Kastel und seine persönliche Situation. Er folgt darin der zeitgenössischen Selbstviktimisierung der deutschen Bevölkerung als Opfer der NS- und Kriegszeit.

Gottfried Dörr war Mitbegründer des Kasteler Vereinsrings. Er war ebenfalls Mitglied im örtlichen Ruderverein und im katholischen Männerverein. 1974 wurde eine Straße im Ortsteil Mainz-Kastel nach ihm benannt.

Aufgrund seiner Mitgliedschaften in zahlreichen NS-Organisationen und niederrangiger Funktionsträger empfahl die auf Beschluss der Stadtverordnetenversammlung 2020 berufene Historische Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsfläche, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden 2023 die Kontextualisierung der nach Gottfried Dörr benannten Straße in Mainz-Kastel.