Brotkrawall 1873
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In der Nacht vom 28. zum 29.04.1873 kam es in Wiesbaden in der Metzgergasse und in angrenzenden Straßen zu tumultartigen Ausschreitungen, derer die Polizei nicht mehr Herr wurde. Erst dem in Wiesbaden stationierten 11. Artillerie-Regiment gelang es in den Nachtstunden, die Straße zu räumen und 25 »Krawallmacher« zu verhaften.
Vorausgegangen waren Gerüchte über drohende Brotpreiserhöhungen (zu denen es auch einige Wochen später kam) sowie anonyme Morddrohungen gegen Brotfabrikanten und Wirte in der Metzgergasse. Nach einigen Festnahmen eskalierte die Situation: Immer mehr Menschen, auch Frauen und Kinder, versammelten sich hier und ignorierten und verspotteten die polizeilichen Anweisungen, es kam zu Prügeleien, Steine und Stuhlbeine flogen gegen die Ordnungshüter.
Hintergrund der Exzesse, die sich in dieser Zeit auch in anderen deutschen Städten entwickelten (etwa gegen erhöhte Butter- oder Bierpreise), war die Unzufriedenheit angesichts wiederholter Preisanhebungen, zumal für Grundnahrungsmittel, die die Masse der ärmeren Bevölkerung hart traf. Generell schwankten die Preise regelmäßig und die Lebenshaltungskosten stiegen in diesen Jahren stark an, während die Löhne stagnierten. Lebensmittel- und Gewichtsfälschungen schienen auf der Tagesordnung zu stehen.
Die übergroße Mehrheit der Wiesbadener war erst in den letzten Jahren und Jahrzehnten aus umliegenden Landgemeinden zugezogen – Wiesbaden erlebte in dieser Zeit einen dramatischen Einwohnerzuwachs – und die Masse der rechtlosen Einwohner musste mit instabilen wie kärglichen Lebensverhältnissen fertig werden. Hier lagen die Wurzeln einer – nicht nur latenten – hohen Gewaltbereitschaft.
Literatur
Steffens, Horst: »Das Brod muß billiger werden!« Der Wiesbadener Brotkrawall 1873. In: Hinterhof und Kurkonzert [S. 28–30].