Genzmer, Herta
geboren: 25. Oktober 1896 in Halle/Saale
gestorben: 2. Februar 1971 in Wiesbaden
Details
Herta Genzmer wurde als Tochter des Geheimrats Prof. Dr. Ing. Ewald Genzmer geboren. Er war ein Stadtplaner von europäischer Bedeutung und Mitbegründer der Dresdner Singakademie. Der Wiesbadener Stadtbaumeister Felix Genzmer war sein Vater. Herta Genzmer studierte in Dresden Musik und Schauspiel. Der Wiesbadener Intendant Christian Carl Hagemann entdeckte sie in Hamburg-Altona und verpflichtete die 25-jährige Schauspielerin nach Wiesbaden. Sie trat erstmals im April 1922 in dem Drama „Ostern“ von August Strindberg auf. Schwierige Charakterrollen moderner Dichter folgten. Ihre Lieblingsrolle wurde die Marei in „Florian Geyer“ von Gerhart Hauptmann. Am Wiesbadener Theater lernte sie auch ihren späteren Ehemann, den Schauspieler August Momber kennen, den sie 1926 heiratete. In seinen Lebenserinnerungen schildert er, sie habe ihn durch ihr „starkes Talent, ihre vollendete Erziehung und ihre hohe Intelligenz“ beeindruckt. Die Ehe wurde 1934 geschieden.
Hertha Genzmer trat 1940 der NSDAP und ein Jahr später der Nationalsozialistischen Volkswohlfahrt bei. Ihre Mitgliedschaft in der Reichstheaterkammer kam durch eine Überführung aus der Bühnengenossenschaft 1933 im Rahmen der „Gleichschaltung“ des Kulturbetriebes zustande.
25 Jahre lang begeisterte Herta Genzmer das Wiesbadener Theaterpublikum. Noch 1963 wirkte sie am Hessischen Staatstheater Wiesbaden in Ionescos „Die Stühle“ mit. 1947 löste sie ihren Vertrag mit dem Theater, um sich durch Gründung der „Schauspielschule Genzmer“ (1952) ganz dem Bühnennachwuchs zu widmen. Zu den bekanntesten Schülern zählen Horst Janson, Karin Dor, Veronika Faber und neuerdings die Iranerin Jasaman Roushanaei. Heute trägt die Schule den Namen Wiesbadener Schule für Schauspiel. An verschiedenen Spielorten, so im Garten der Villa Schnitzler, Schloss Freudenberg und im Georg-Buch-Haus, erhalten fast alle Absolventen nach dreijähriger Ausbildung das „Prädikat der Bühnenreife“. In von der Presse und dem Publikum aufmerksam verfolgten Stücken wie „Die Eisvögel“ von Tine Rahel Völcker oder Schnitzlers „Reigen“, bei Textinterpretationen, Entwürfen zu Bühnenbildern, in Regie-Workshops und in Fernsehspielen wird bis heute lebendig dem schöpferischen Geist der Gründerin gehuldigt. 1960 nahm Herta Genzmer an der Staatlichen Hochschule für Musik in Frankfurt einen Lehrauftrag an. Durch zahlreiche Auftritte in Funk und Fernsehen war sie über die Grenzen Wiesbadens hinaus bekannt geworden. In der berühmten hessischen Rundfunk- und Fernsehfamilie „Die Hesselbachs“ spielte sie die Martha. Sie erfuhr bis zu ihrem Tod hohe öffentliche Anerkennungen: Bundesverdienstkreuz 1. Klasse, Goetheplakette und Goldene Ehrennadel der Genossenschaft deutscher Bühnenangehöriger. 2009 würdigte sie das Stadtarchiv Wiesbaden im Rahmen einer Ausstellung.
Im Westen des Künstlerviertels ist als „Ehrung einer bedeutenden Frau“ eine Straße nach ihr benannt. Sie verbindet die Maria Sybilla Merian-Straße mit dem Christa Moering-Platz.
[Der vorliegende Text wurde 2012 von Günther Fuhr für die gedruckte Version des Stadtlexikons Wiesbaden erstellt und 2023 von Dr. Dirk Stolper überarbeitet und ergänzt]
Literatur
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Vollmer, Eva-Christina
„Königliches“ Ambiente am Kurpark. In: Zeitzeugen II. Wiesbadener Häuser erzählen ihre Geschichte. Mattiaca. Gesellschaft zur Pflege von Dialekt und Stadtgeschichte Wiesbadens (Hrsg.), Wiesbaden 1998. (S. 18-20)
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Stolper, Dirk
Namen im öffentlichen Raum. Abschlussbericht der Historischen Fachkommission zur Überprüfung nach Personen benannter Verkehrsflächen, Gebäude und Einrichtungen der Landeshauptstadt Wiesbaden, in: Schriftenreihe des Stadtarchivs Wiesbaden, Band 17. Wiesbaden 2023.