Freytag, Gustav
geboren: 13. Juli 1816 in Kreuzburg/Schlesien
gestorben: 30. April 1895 in Wiesbaden
Details
Der Sohn eines Arztes und Bürgermeisters studierte in Breslau und Berlin Philologie, habilitierte sich über Roswitha von Gandersheim und wirkte von 1839 bis 1847 als Privatdozent in Breslau. 1848 bis 1870 übernahm er die Schriftleitung der Zeitschrift „Die Grenzboten“, die zum führenden nationalliberalen Organ in Deutschland wurde. Der Mitherausgeber Julian Schmidt formulierte hier das Programm für eine realistische Literatur, das Freytag 1855 mit seinem erfolgreichen Roman „Soll und Haben“ einlöste. Das arbeitende deutsche Bürgertum, speziell der Kaufmannsstand, wird als Träger von Kultur und Fortschritt dargestellt, scharf abgegrenzt von Polen, Adligen und Juden. Mit „Die verlorene Handschrift“ (1864) folgte ein Roman über das Bildungsbürgertum, mit dem Romanzyklus „Die Ahnen“ (1872-80) Freytags bürgerlich-liberale Interpretation deutscher Geschichte, vorbereitet durch die kulturhistorischen „Bilder aus der deutschen Vergangenheit“ (1859-67). Freytags Drama „Die Journalisten“ (1854) wurde festes Repertoirestück, sein Lehrbuch „Die Technik des Dramas“ (1863) viel zitiert.
Politisch trat Freytag für den kleindeutschen Einheitsstaat unter Führung Preußens ein, von 1867 bis 1870 auch als Abgeordneter im Reichstag des Norddeutschen Bundes. Er war befreundet mit dem Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg-Gotha und zog 1851 nach Siebleben bei Gotha. Das dortige winterliche Klima konnte er später wegen Bronchitis nicht vertragen und er erwarb deshalb im milderen Wiesbaden am „Rondell“ an der Biebricher Allee 1877 ein Haus. Dort – weit entfernt von seinem Hauptwohnsitz – brachte er seine Haushälterin Marie Dietrich mit zwei gemeinsamen Söhnen unter, erst 1879 heiratete er sie. Seine nervenkranke erste Frau war 1875 gestorben.
1881 zog die Familie in eine spätklassizistische Villa am Hainer Weg um (heute Gustav-Freytag-Straße 18). Freytag lebte in Wiesbaden eher zurückgezogen – sicher auch des wenig „bürgerlichen“ Privatlebens wegen. Auch seine zweite Frau verfiel einem Nervenleiden, das sich 1884 durch den Tod des jüngeren Sohnes verstärkte, Freytag ließ sie in eine Heilanstalt bei Koblenz bringen. Schon vorher hatte er die Wienerin Anna Strakosch, Gattin eines bekannten Rezitators, kennen gelernt. Ihr Briefwechsel begann 1884, nach einem gemeinsamen Urlaub 1887 wurden die Briefe des 70-jährigen Autors an die 34-jährige Jüdin zu Liebesbriefen, zeitweise wohnte Anna in Freytags Villa. Nach Scheidung ihrer Ehen heirateten die beiden 1891. Das neue Ehepaar Freytag nahm häufiger am gesellschaftlichen und kulturellen Leben Wiesbadens teil. Der Schriftsteller arbeitete hier an der Gesamtausgabe seiner Werke, für dessen ersten Band er seine „Erinnerungen aus meinem Leben“ (1886) schrieb. Politisches Aufsehen erregte er nochmals 1889 mit seiner Schrift „Der Kronprinz und die deutsche Kaiserkrone“, in der er behauptete, der 100-Tage-Kaiser Friedrich III. sei schon lange vor Beginn seiner Krankheit zu tatkräftiger Regierung nicht mehr fähig gewesen. Die Stadt Wiesbaden ehrte Freytag zu seinem 70. Geburtstag 1886, indem sie die Straße, an der sein Haus lag, nach ihm benannte. 1905 wurde das Gustav-Freytag-Denkmal im Wiesbadener Kurpark enthüllt.
Literatur
-
Freytag, Gustav
Briefe an seine Gattin. Berlin 1912
-
Jung, Wolfgang
„Das ist doch nicht mein Genre?“. Der alte Gustav Freytag in Wiesbaden. In: Wiesbaden. Hinterhof und Kurkonzert. Eine illustrierte Alltagsgeschichte von 1880 bis heute. Eine Publikation der Wiesbadener Geschichtswerkstatt e.V., Gerhard Honekamp (Hrsg.), Gudensberg-Gleichen 1996. (S. 31 - 33)