Sternberger, Dolf
Dolf (Georg Adolf) Sternberger
geboren: 28. Juli 1907 in Wiesbaden
gestorben: 27. Juli 1989 in Frankfurt am Main
Details
Sternbergers Vorfahren waren Handwerker und Bauern; sein Vater war republikanisch gesinnter Bücherrevisor. Er besuchte das Wiesbadener Realgymnasium am Luisenplatz. Ab 1925 studierte er Kunstgeschichte, Germanistik, Soziologie und Philosophie in Kiel, Frankfurt a.M., Freiburg und Heidelberg und promovierte 1932 zum Dr. phil. Von 1927 bis zu deren Verbot 1943 war er freier Mitarbeiter und dann Redakteur der „Frankfurter Zeitung“. Anschließend arbeitete er in einem Heidelberger Industriebetrieb. 1947 übernahm er einen Lehrauftrag für Politik in Heidelberg, der schließlich zur Professur führte. Seit 1960 hatte er einen außerordentlichen Lehrstuhl für Politische Wissenschaften inne und von 1962 bis 1972 war Sternberger ordentlicher Professor an der Universität Heidelberg. Er gehörte im Jahr 1946 zu den Mitbegründern der dortigen Volkshochschule, wo er mehrere Jahre Mitglied im Vorstand war sowie als Dozent wirkte. Ferner war er publizistisch tätig und u.a. ständiger Mitarbeiter der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ sowie Mitbegründer und Herausgeber der „Politischen Vierteljahresschrift“. Er war Gründungsmitglied der Deutschen UNESCO-Kommission, Vorsitzender der Deutschen Wählergesellschaft und Präsident des Deutschen PEN-Zentrums.
Sternberger gehört zu den Begründern einer entschieden verfassungsorientierten Politikwissenschaft der deutschen Nachkriegsgeschichte. Aus der Katastrophe der Naziherrschaft zog er den Schluss, dass man als Bürger viel aktiver für das politische Gemeinwesen eintreten müsse als dies während der Weimarer Zeit geschehen war. Für ihn selbst, der mit der Jüdin Ilse Rothschild verheiratet war und dem deshalb zwischen 1933 und 1945 die akademische Karriere versagt geblieben war, bedeutete dies, sich nicht nur in der Forschung und Lehre an der Universität Heidelberg für den demokratischen Staat zu engagieren, sondern öffentlichkeitswirksam in Kommentaren im Hessischen Rundfunk und als Leitartikler der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ in Erscheinung zu treten. Seine Kommentare, beispielsweise zur Spiegelaffäre 1962 und zur APO lesen sich noch heute mit Gewinn.
Das von ihm zusammen mit Gerhard Storz und Wilhelm E. Süskind verfasste Werk „Aus dem Wörterbuch des Unmenschen“ (1. Auflage 1957, nachdem die einzelnen Artikel zwischen 1945 und 1948 in der Zeitschrift „Die Wandlung“ erschienen waren) analysierte in beispielgebender Weise die Sprache der NS-Herrschaft mit der erklärten Wirkungsabsicht, die deutsche Umgangssprache von den Neu- und Umbildungen der NS-Sprache zu befreien. Seine politischen Positionen hatten ihr Vorbild vor allem in seiner Interpretation von Aristoteles’ „Politik“, deren Leitbild er im Staat als einer in sich vielfältigen Gemeinschaft von Gleichen sah. Sein Ideal war der auf einer grundrechtsbasierten Verfassung aufgebaute Staat. Seine Begriffsprägung „Verfassungspatriotismus“, die viele Diskussionen in der Öffentlichkeit, in der Politik und in der politischen Bildung auslöste, folgt konsequent dieser Überzeugung.
Die Schweiz und die USA mit sprachlich und national bunt gemischten Bevölkerungen, die durch nichts anderes zusammengehalten werden als durch ihre Freundschaft zur Verfassung, waren ihm hier Vorbild. Er plädierte dafür, die Verfassungsloyalität der Bürger und ihrer Parteien öffentlich sichtbar zu machen und damit zu zeigen, dass die Verfassungspatrioten den stärkeren Teil der Gesellschaft bilden. Leider harrt diese Anregung Sternbergers aus dem Jahr 1979 noch ihrer Realisierung. Sternberger erhielt zahlreiche Auszeichnungen, darunter das Verdienstkreuz der Bundesrepublik Deutschland und den Kritikerpreis für Literatur (beide 1974), die Wilhelm-Leuschner-Medaille des Landes Hessen (1977) sowie die Goethe-Plakette der Stadt Frankfurt (1989).
Die Landeshauptstadt Wiesbaden hat ihm zu Ehren am 8. Mai 2009 an dessen Geburtshaus in der Lothringer Straße 28 eine Gedenktafel anbringen lassen. Seit 1992 verleiht die Dolf Sternberger-Gesellschaft e.V. in Heidelberg den Dolf Sternberger-Preis für öffentliche Rede.
Literatur
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Borchard, Michael (Hrsg.)
Dolf Sternberger zum 100. Geburtstag. Mit Beiträgen von Ulrich Raulff, Klaus Landfried, Bernhard Vogel, Günther Nonnenmacher, William J. Dodd. Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., St. Augustin, Berlin 2007.