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Geschichte

Es ist durchaus möglich, dass Nordenstadt, wie der Nachbarort Wallau, als kleine Siedlung bereits seit der Keltenzeit bestand und somit mehr als 2000 Jahre alt ist.

Die erste urkundliche Erwähnung stammt aus dem Jahre 950. In dieser Urkunde heißt es, dass König Otto I. (912 bis 973) dem Vasallen seines Sohnes Ludolf, dem Grafen Gerung, sechs "Hufen" Land (etwa 180 Morgen) in den Gemarkungen Wallau, Breckenheim und Nordenstadt schenkte. Nordenstadt ist in Wirklichkeit jedoch viel älter. Es bestand schon zur Siedlungszeit der Franken als Dorfschaft. Das wohl älteste Relikt der Nordenstadter Vergangenheit ist ein fränkisches Gräberfeld, das am Ortsausgang des Dorfes, am heutigen Grabenweg, gefunden wurde. Archäologen stellten fest, dass die Gräber aus dem 6. Jahrhundert stammen. Es ist durchaus möglich, dass Nordenstadt, wie der Nachbarort Wallau, als kleine Siedlung bereits seit der Keltenzeit bestand und somit mehr als 2000 Jahre alt ist.

Nordenstadt befand sich im Jahre 950 auf einem gesegneten Stück Erde, das sich die fränkischen Könige als besonderen Besitz vorbehalten hatten. Es hieß nach der fränkischen Gauverfassung der "Königssundergau".

Der Gau war gleichzeitig auch Grafschaft, also eine zusammenhängende Verwaltungseinheit. Den Mittelpunkt des Gaues bildete Mechthildshausen, wo sich auch das Grafengericht befand. Im Laufe der Zeit wechselte der Name der Gemeinde öfters. Aus "Norminstatt" wurden "Nordinstatt" und "Norstat", später "Norderstadt" und ab 1145 "Nordenstadt". Der Name selbst weist auf den fränkischen Ursprung der Bewohner hin. Frei übersetzen lässt sich Nordenstadt vermutlich mit "die Wohnstätte des Nornin oder Norin".

Die Nordenstadter Äcker und Felder waren aufgrund ihrer vorzüglichen Fruchtbarkeit geeignete Schenkungsobjekte der verschiedenen Herrscher an Abteien, Klöster und Stifte. Auch getreue Gefolgsleute erhielten landwirtschaftliche Flächen aus hoheitlicher Hand. Eine Urkunde weist darauf hin, dass im Jahre 970 das Kloster "Bergen" bei Magdeburg von König Otto I. Äcker in der Gemarkung Nordenstadt bekommen hatte. Zwischen den Jahren 1101 und 1106 vermachte Heinrich IV. dem Kloster "St. Jacob" bei Mainz verschiedene Nordenstadter Liegenschaften. Auch das "St. Alban Stift" und das Stift "Maria zu den Greden" in Mainz hatten im 12. Jahrhundert verschiedene Güter in der Gemeinde.

Den größten Einfluss in der Gemeinde hatte das Domstift in Mainz. Sein Anteil am landwirtschaftlichen Ertrag waren sechs Neuntel vom Zehnten, die "Zehn-Prozent-Abgabe", die von Bauern an ihre weltlichen und geistlichen Herren geleistet werden musste. Zwei Neuntel des Aufkommens erhielten die Herren von Cronberg, ein Neuntel die Stifte "St. Maria am Steg", "St. Johann" und "St. Moritz" in Mainz. Im 14. Jahrhundert hatte das Domstift von seinen Liegenschaften etwa 300 Morgen gegen den Pachtzins von 37 Malter Frucht in Erbpacht gegeben.

Die gute Entwicklung der Gemeinden wurde durch den 30-jährigen Krieg unterbrochen. Im Jahre 1620 zogen die ersten feindlichen Heere durch Nordenstadt. Sie wurden vom Marquis Spinola angeführt, der vom Niederrhein her über Eppstein in Richtung Frankfurt gezogen war. Es verging kaum ein Jahr, in dem die Bewohner nicht durch neue Einquartierungen belastet wurden. Die Soldaten führten sich nicht als Gäste, sondern als Herren auf. Sie leerten Scheunen, Küchen und Keller, trieben das Vieh aus den Ställen und nahmen Wertgegenstände mit sich. Zu allen Untaten zündeten sie auch noch Höfe und Scheunen an.

Der Krieg, die Pest und die Brände brachten es mit sich, dass in Nordenstadt 1635 nur noch 46, im Jahre 1637 nur 70 Einwohner lebten. In den Jahren 1635 bis 1637 war kein einziger Halm geerntet worden. 1641 betrug der ganze Viehbestand nur 28 Ochsen und 10 Kühe. In der Gemeinde konnten nur 37 Häuser bewohnt werden, 46 Anwesen waren völlig verwüstet. Viele Nordenstadter haben in diesem Krieg ihr Leben eingebüßt. Nach dem Ende des 30-jährigen Krieges kamen nur wenige Nordenstadter aus den Kriegswirren zurück in ihr Dorf.

Im ersten Teil des 18. Jahrhunderts schien es, als ob alle Kriegswirrnisse vergessen seien. Die Bauern kultivierten die verwüsteten Felder, bauten ihre Höfe auf und kamen durch viel Fleiß wieder zu einem gewissen Wohlstand. Eine Ausnahme bildete lediglich das Jahr 1735, in dem die unter Kaiser Karl IV. beim Reichstag gegen Frankreich durchziehenden Truppen einquartiert wurden. Diese Zeit war für die Bevölkerung wiederum mit Unruhen und finanziellen Belastungen verbunden. Im Jahre 1730 lebten in Nordenstadt 575 Bürger. Hierzu zählten auch vier jüdische Familien. Erneute Einquartierung gab es beim Ersten Schlesischen Krieg unter Friedrich II. von Preußen gegen Österreich im Jahre 1742. Beim Rückzug französischer Truppen an den Rhein folgten als Nachzügler "Marodeure und anderes Gesindel", die eine breite Spur von Raub und Plünderung hinter sich ließen.

Durch die Französische Revolution (1789 bis 1795) kamen zahlreiche Flüchtlinge und Emigranten ins "Ländche". Im Jahre 1792 wurden während des französisch-österreichischen Kriegs kaiserlich-österreichische Truppen einquartiert. Später nahmen französische Soldaten deren Plätze ein, bis im Jahre 1801 Friede geschlossen wurde. Die Nordenstadter mussten erhebliche Kriegsschulden abtragen.

Die Nachkriegszeit war die geeignete Basis für Räuberbanden, die aus Abenteurern und Deserteuren bestanden und in jener Zeit alle Straßen unsicher machten. Das Militär war zu schwach, um den Umtrieben dieses "lichtscheuen Gesindels" Herr zu werden. Deshalb wurden sogenannte "Bürgerwachen" aufgestellt. Die 1. Kompanie des 3. leichten Jägerbataillons befand sich in Nordenstadt und Wallau. Die Soldaten machten immer wieder - mit wechselndem Erfolg - Jagd auf die Banden. Von den Bürgerwachen waren jeweils zwei Mann vor Mitternacht und zwei Mann nach Mitternacht auf den Straßen.

Das Jahr 1848 brachte einen erneuten Umschwung. Die sogenannte "Märzrevolution" brach mit so manchen herzoglichen Privilegien. 1849 löste der Bürgermeister den bisherigen Schultheißen ab. An die Stelle der alten Feldmaße "Ruthe" und "Schuh" trat der "Meter" als Längenmaß. Beim Preußenkrieg im Jahre 1866 wurden im Ländchen wieder Soldaten einquartiert. Diesmal waren es die nassauischen, die sich später vor den Coburg-Gothaer, Waldeckischen und Schwarzenburg-Sonderhäuser Truppen zurück zogen. Die Preußen wurden mit großen Festlichkeiten empfangen. Nach Friedensschluss wurde das Herzogtum Nassau und somit auch Nordenstadt preußisch.

Die evangelische Kirche Nordenstadt bestand nach alten Dokumenten bereits seit dem Zeitpunkt der Ersterwähnung des Ortes im Jahre 950. Somit ist ein Jubiläumsjahr der Gemeinde auch ein Jubiläum für die Nordenstadter Kirche. Während des 30-jährigen Krieges wurde die Kirche mehrmals verwüstet. Im Jahre 1718 wurde sie abgebrochen und vergrößert. Die Einweihung der neuen Kirche fand am 28. September 1721 statt. Der alte Turm war bei dem vorangegangenen Umbau stehen geblieben. Er wurde jedoch im Jahre 1728 erhöht. Im Jahre 1734 brannte er infolge eines Blitzschlages aus und wurde 1738 wiederhergestellt. Der Kirchhof wurde im Jahre 1820 erweitert. 1855 wurde ein neuer Friedhof angelegt.

Das Pfarrhaus befand sich 1656 in der Obergasse. 1713 wurde in der damaligen Rüsselgasse ein neues Pfarrhaus eingerichtet. 1855 entstand auf dem Greifenclau'schen Hofgarten das jetzige Pfarrhaus. Für den Unterhalt mussten die Mainzer Domherren, bis 1848 der nassauische Staat sorgen. Die Nordenstadter Kirchengemeinde ist eine der ältesten im Ländchen. 1107 war sie auch die Muttergemeinde von Medenbach und Wildsachsen. 1491 wurden die beiden Dörfer abgetrennt und erhielten eigene Pfarrer.

Die Nordenstadter Kirche wurde im Jahre 1528 reformiert. Der letzte katholische Pfarrer war Johann Biedenkapp, der erste evangelische Geistliche Phillip Weyker.

Die katholische Kirchengemeinde wurde im Jahre 1949, bedingt durch den Zuzug der Heimatvertriebenen, von Bischof Dirichs gegründet. Sie schließt die Orte Breckenheim, Delkenheim, Igstadt, Nordenstadt und Wallau ein. Erster Seelsorger war Pfarrer Rudolf Werner, der selbst Heimatvertriebener war und bis Anfang 1959 wirkte. Danach übernahm Pfarrer Kurt Thiemeyer die Führung der Gemeinde. Unter seiner Leitung wurde im Jahre 1962 die Pfarrkirche "Christus der König" mit Gemeindehaus und Jugendheim erstellt.

Durch das rasche Anwachsen - inzwischen 7.800 Seelen - und die zunehmende Aktivität in der Gemeinde, wurde der Bau eines Gemeindezentrums - St. Stephan - erforderlich, welches 1975 in Delkenheim errichtet wurde.

Vom Bauerndorf bis zur Wohn- und Gewerbegemeinde: Die Gemeinde Nordenstadt hat sich erheblich gewandelt. Aus einem "Bauerndorf" ist eine moderne Wohn- und Gewerbegemeinde geworden. Sie hat, wie viele andere Gemeinden des Lebens- und Wirtschaftsraumes zwischen Frankfurt und Wiesbaden, eine dynamische Entwicklung zu verzeichnen. Begünstigt wurde die Wandlung durch Unternehmen, die in dem verkehrsgünstig an zwei Autobahnen liegenden Ort kostengünstiges Bauland für Expansionsmöglichkeiten fanden. Außerdem wurden in Nordenstadt große Flächen als Baugebiete für Wohnbebauung ausgewiesen, auf denen Einfamilienhäuser und Mehrgeschossbauten entstanden. Durch diese Vergrößerung stieg auch das Steueraufkommen des Ortes, das die Entwicklung einer entsprechenden Infrastruktur ermöglichte. Es entstanden eine moderne Grundschule, ein Kindergarten und ein Gemeindezentrum, eine großzügige Sportanlage sowie eine Mehrzweckhalle. Die ärztliche und medizinische Versorgung ist gesichert. Die Ver- und Entsorgungseinrichtungen sind auf einen modernen Stand gebracht.

Seit dem 1. Januar 1977 ist Nordenstadt in Wiesbaden eingemeindet worden.

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Geschichte wiesbaden.de / Foto: Shutterstock
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