Sprungmarken

Apotheken

Als erste, dauerhaft in Wiesbaden bestehende Apotheke gilt die „Hofapotheke“, die 1672 gegründet wurde. Über 100 Jahre dauerte es, bis eine zweite, die „Löwen-Apotheke“, ihre Konzession erhielt. Mit der Zahl der Einwohner und Kurgäste wuchs schließlich auch die Anzahl der Pharmazien - heute sind es rund 125 Apotheken im ganzen Stadtgebiet.

Details

Die Geburtsstunde des Apothekerstandes im späteren Deutschland schlug 1241, als Kaiser Friedrich II. eine Medizinalordnung erließ, welche die Trennung der Berufe Arzt und Apotheker gesetzlich vorschrieb. Zu diesem Zeitpunkt dürfte allerdings in Wiesbaden noch keine Apotheke existiert haben. Die Anfänge der Arzneimittelversorgung der Bürger von Wiesbaden liegen im Dunkeln. Sie wird wohl lange Zeit, wie in den meisten Gemeinden, vor allem durch heil- und kräuterkundige Frauen erfolgt sein.

Der Dreißigjährige Krieg hinterließ schwere Verwüstungen in Wiesbaden: 1646 sollen nur noch 51 Bürger in den Mauern der zerstörten Stadt gehaust haben. Kurze Zeit später, im Dezember 1650 erteilte Graf Johann dem Otto Wilhelm Dorsch die Erlaubnis zur Einrichtung einer Apotheke, die seit 1654 im Gasthaus „Zum Einhorn“ angesiedelt war, dessen Namen sie auch trug. Sie hat allerdings nur knapp zehn Jahre bestanden, so dass eine andere als erste beständige Wiesbadener Apotheke gelten muss: Die spätere „Hofapotheke“ wurde 1672 von Johann Graßer, einem Frankfurter Bürger, gegründet. 1808 ging sie in den Besitz von Johann August Lade über, der sie von Johann Eberlein kaufte. Im Januar 1811 wurde Lade, wie auch schon Eberlein, der Titel „Hofapotheker“ verliehen.

Erst 1813 wurde dem Kandidaten der Pharmazie, Dr. Karl Philipp Otto, die Konzession zur Errichtung einer zweiten Wiesbadener Apotheke, „Zum goldenen Löwen“, erteilt. Sie wurde in dem dem Adler gegenüber gelegenen bisherigen Gasthaus „Zum goldenen Wolf“ eingerichtet. Otto war auch Forscher und Philosoph. Goethe soll seine Werke bei einem Kuraufenthalt mit Interesse gelesen haben. Otto widmete sich aber offensichtlich zu wenig seinen Geschäften, denn 1814 musste er aufgrund hoher Schulden aus Wiesbaden flüchten. Seine Apotheke wurde zwangsversteigert und ging an die Frankfurter Farbenhandlung. Von dieser pachtete und später kaufte sie Caspar Adam Müller für 24.500 Gulden und eröffnete sie am 1. Mai 1815 als „Löwen-Apotheke“ wieder.

Die Medizinalordnung des Herzogtums Nassau von 1818 regelte die Verhältnisse der Apotheker genau: Sie galten als Beamte, die aber ihre Besoldung ausschließlich aus dem Ertrag ihres Geschäftes gemäß der jetzt erstmals bestimmten (und immer wieder neu geregelten) Gebührenordnung zu beziehen hatten. In jedem Medizinalbezirk des Herzogtums sollte es eigentlich nur eine Apotheke geben. Da in Wiesbaden nun schon zwei vorhanden waren, machte man die „Hofapotheke“, die später in „Schützenapotheke“ umbenannt wurde, kurzerhand zur Amtsapotheke des Medizinalbezirks „Wiesbaden-Stadt“, die „Löwen-Apotheke“ aber zu der des Medizinalbezirks „Wiesbaden-Land“.

Die rasch wachsende Einwohnerzahl und der ständig reger werdende Kurverkehr Wiesbadens machte die Einrichtung weiterer Apotheken notwendig. Diese hatten allerdings keinen Amtscharakter, sondern bestanden nur durch Konzessionierung. Es waren dies zunächst ab 1837 die „Hirschapotheke“, deren Besitzer Herber ab 1839 das Kalbsche Haus am Markt in der Marktstraße für seine Geschäftsräume mietete. Seit 1841 wurden außerdem Verhandlungen über die Einrichtung einer vierten Apotheke geführt, die jedoch erst 1863 ihren Abschluss fanden, nachdem der Antragsteller Adolph Seyberth eine Spende von 10.000 Gulden ans Hospital entrichtet hatte. Er durfte nun die „Adlerapotheke“ in der Kirchgasse einrichten. Der Grund, warum die Neueröffnung von Apotheken derart streng reglementiert wurde, war ein finanzieller: Es lag explizit im Interesse der Regierung, dass die Pharmazeuten ein großes Vermögen erwirtschafteten, denn man ging davon aus, dass sie dann stets einen ausreichenden Vorrat an Materialien, d. h. Rohstoffe zur Medikamentenherstellung, und tüchtige Gehilfen hätten. Um sie nicht nur finanziell gut zu stellen, sondern auch in ihrer Professionalisierung zu bestärken, durften seit 1844 Gifte und heftig wirkende Stoffe nur noch von Apothekern, nicht aber mehr von Materialwarenhändlern oder Drogisten verkauft werden.

Die Annexion Nassaus durch Preußen im Jahre 1866 brachte für Wiesbaden wiederum einige Neuerungen mit sich: Die Privilegien der Apotheken bestanden weiter, ihre Inhaber waren aber nicht mehr vom Staat angestellt.

Im März 1867 wurde in Wiesbaden das einheitliche preußische Medizinalgewicht eingeführt, die recht erheblichen Kosten für die neuen Gewichte hatten die Apotheker selbst zu tragen. Seit 1868 galt auch in Wiesbaden das „Altländische Visitationsverfahren“ welches besagte, dass die Apotheken alle drei Jahre von einer Kommission genau überprüft werden mussten. Im Herzogtum Nassau hatten solche Visitationen nicht regelmäßig, sondern nur nach Klagen stattgefunden. Mit der rasch wachsenden Einwohnerzahl Wiesbadens kam es auch zu weiteren Neugründungen: Es waren dies 1870 die Taunusapotheke, 1878 die Viktoria-Apotheke und 1888 die Wilhelms-Apotheke, um deren Betriebserlaubnis der bekannte Militärapotheker Wilhelm Lenz gebeten hatte. Die Theresienapotheke, 1893 in der Emser- bzw. Wellritzstraße eröffnet, sowie die 1894 in Betrieb gegangene Oranienapotheke bezeugen die Wichtigkeit der Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln in den Neubaugebieten der Stadt. So wurden nach 1900 Neugründungen fast ausschließlich in den Stadtrandgebieten bzw. eingemeindeten Orten vorgenommen.

Mit zunehmender Industrialisierung veränderte sich auch der Aufgabenbereich der Apotheker: Sie hatten weniger selbst anzufertigen, dafür nahm die Prüfung der Qualität und Identität sowie der Handverkauf eine immer bedeutendere Stellung ein. Erst die industrielle Herstellung von pharmazeutischen Produkten machte sie für viele so billig, dass sie sich Arzneimittel nun leisten konnten. Der Kundenkreis wurde auch für die Wiesbadener Apotheker immer größer.

Nach dem Ersten Weltkrieg war Wiesbaden zunächst unter französischer und ab 1925 unter englischer Besatzung. In der Stadt gab es um 1920 zehn Apotheken, von denen sich zwei nun explizit „Pharmacie internationale“ bzw. „Pharmacie anglo-francaise“ nannten. Als 1930 die Besatzer abzogen, versuchte man möglichst rasch die Kur wiederzubeleben, die über Jahre zum Erliegen gekommen war. Der reiche Wiesbadener Apotheker Adam Herbert und der nach Amerika ausgewanderte Hugo Reisinger stifteten der Stadt die gegenüber dem Hauptbahnhof liegende Reisinger- und Herbert-Anlage, noch heute eine Visitenkarte der Stadt.

In der Folgezeit nahm auch die Zahl der Apotheken zu und zwar in einer bisher unbekannten Schnelligkeit: Ein Blick in das Wiesbadener Adressbuch von 1938 verrät, dass es nun 22 pharmazeutische Geschäfte gab, von denen sich keine mehr den Beinamen „internationale“ gab. Geworben wurde stattdessen mit Harnanalysen und homöopathischen Mitteln.

In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg hatten die Wiesbadener Apotheken nicht nur mit der schlechten Versorgungslage, die auch die Medikamente betraf, zu kämpfen. Manche Einrichtungen, wie etwa die Adler-Apotheke waren durch Bomben so schwer beschädigt worden, dass die Besitzerfamilie Seyberth an der Ecke Kirchgasse/Friedrichstraße ein neues Gebäude beziehen musste. Einige Besitzer, wie die Familie Mück, mussten auf Anordnung der Besatzungstruppen ihre Apotheke räumen, da die in der Luisenstraße gelegenen Geschäftsräume „off limits“ lagen. Die Wilhelms-Apotheke musste in die Wilhelmstraße verlegt werden. Die Anzahl der Apotheken stieg aber stetig, 37 gab es 1951 in Wiesbaden – und auch die Weltläufigkeit der Kurstadt kam zurück: Die Löwen-Apotheke nannte sich wieder „Pharmacie internationale“.

Seit 1958 herrscht in Deutschland die Niederlassungsfreiheit, das heißt jeder Apotheker darf an einem Ort ein Geschäft eröffnen – unabhängig vom Bedarf. Diese neue Verordnung hatte auch für Wiesbaden gravierende Folgen: Mit dem Ansteigen der Einwohnerzahlen Wiesbadens und der Erschließung neuer Wohngebiete wuchs auch die Anzahl der Apotheken in der Kurstadt: 1969 gab es 61, 1976 waren es schon 75 – und 1989 gar schon 85 Geschäfte. Allein in den Jahren von 2005 bis 2008 wurden im Wiesbadener Stadtgebiet sieben neue Apotheken eröffnet.

Heute (Stand 2013) sind die rund 125 Wiesbadener Apotheken vor allem Drehscheibe für Information und Beratung. Die Wahl des richtigen Standorts ist, wie schon in ihren Anfängen im 17. Jahrhundert, entscheidend. Während sie damals vorwiegend an den Hauptstraßen lagen, haben sich heute zahlreiche Apotheken einen Standort in der Nähe eines Praxiszentrums gesucht, damit möglichst viele Patienten ihre Rezepte gleich dort einlösen können. Seit dem 1. Januar 2004 dürfen Pharmazeuten bis zu drei weitere so genannte „Filialapotheken“ betreiben.

Literatur