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Delkenheim

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Delkenheim entstand auf fruchtbarem Lössboden im Vorland von Main und Taunus nahe der von den Römern erbauten »Steinernen Straße« auf einer vom Wickerbach umflossenen erhöhten Talsohle. Die Spuren vorchristlicher Besiedlung reichen bis in die Jungsteinzeit zurück. 1998 wurde das Grab eines christlich bestatteten Mannes aus fränkischer Zeit entdeckt. Auch der Ortsname lässt auf eine Gründung der Siedlung Delkenheim in der fränkischen Epoche zwischen etwa 600 bis 900 schließen. In den Eppsteinschen Lehensverzeichnissen wird die »villa Delkilnheim« um 1200 bzw. mit »Godefridus de Delchilnheim« im April 1204 erstmals erwähnt. Delkenheim war das bedeutendste Dorf in der Herrschaft Eppstein. Das geht u. a. aus den Steuern und Abgaben hervor, die die Eppsteiner 1479 aus Delkenheim bezogen und deren Wert mit 80 fl. im Jahr angegeben wird. Die Eppsteiner setzten in Delkenheim den Schultheißen ein, der 1303 erstmals bezeugt ist, und übten die Ortsvogtei aus. Mechthildshausen, Zentrum der Herrschaftsrechte dieses Adelsgeschlechts und Sitz der alten Gerichtsstätte, lag auf der Delkenheimer Gemarkung. Die Stadterhebung Delkenheims vom 04.12.1320 durch König Ludwig den Bayern geht ebenfalls auf die Eppsteiner zurück – der König revanchierte sich damit für die Dienste, die ihm Gottfried IV. in seiner Auseinandersetzung mit Graf Gerlach zu Nassau erwiesen hatte. Die Verleihung der Stadtrechte hatte jedoch keine weitergehenden Folgen – Delkenheim kam über eine Talgemeinde nicht hinaus. In die Auseinandersetzungen zwischen den Herren von Eppstein und den Grafen zu Nassau, die beide das Mechtildshäuser Gericht als Reichslehen für sich beanspruchten, wurde auch Delkenheim hineingezogen und im November 1417 in Brand gesetzt.

Die Eppsteiner unterhielten in Delkenheim einen herrschaftlichen Hof, in dem sich auch ein Gefängnis befand; die 1303 bzw. 1310 erstmals erwähnte Mühle, die sogenannte Erbleihmühle, war ebenfalls herrschaftlich. Außer den Herren von Eppstein waren zahlreiche geistliche Institutionen in Delkenheim begütert, so v. a. Mainzer Klöster und Stifte. Kloster Klarenthal besaß Ländereien in der Delkenheimer Gemarkung, das Kloster Arnsberg in der Wetterau einen Klosterhof. Delkenheim gehörte zum sogenannten Ländchen und wurde 1492 mit diesem an die Landgrafschaft Hessen verkauft. Damals war Delkenheim mit »ziemlichen greben und zeunen befestigt«. Schon 1438 wird ein Wall zu Delkenheim genannt. 1568 gelangte Delkenheim an Hessen-Marburg, 1604 an Hessen-Kassel und 1627 an Hessen-Darmstadt. Mit dem Reichsdeputationshauptschluss von 1803 fiel das Dorf an Nassau.

Die Pfarrkirche von Delkenheim wird erstmals 1299 erwähnt. Das Recht der Pfarrbesetzung behielten die Herren von Eppstein auch nach dem Verkauf Delkenheims an die Landgrafen von Hessen. Daher wurde der erste von Philipp dem Großmütigen eingesetzte lutherische Pfarrer um 1530 aus Delkenheim vertrieben, weil Graf Eberhard IV. zu diesem Zeitpunkt noch dem alten Glauben anhing. 1773 erfolgte die Grundsteinlegung zu dem noch heute vorhandenen massiven Pfarrhaus. Die Delkenheimer Kirche war ein einschiffiges gotisches Gotteshaus mit Dachreiter; der Chor war etwas älter als das Schiff. 1893 wurde sie abgerissen. Am 12.09.1894 wurde die neue evangelische Kirche, der sogenannte Ländchesdom, ein Werk des Architekten Ludwig Hofmann aus Herborn, eingeweiht. Ortsverwaltung und Gerichtsbarkeit oblagen im Mittelalter und in der Frühen Neuzeit einem von den Herren von Eppstein eingesetzten Schultheißen und mehreren Schöffen. Von 1686 ist ein Gerichtssiegel überliefert.

Jüdische Einwohner sind seit 1575 nachzuweisen: In diesem Jahr musste sich »Goetzel Jude zu Delkenheim« in einem Reichskammergerichtsprozess verantworten. 1746 wird ein Schutzjude Isaak zu Delkenheim erwähnt, 1764 auch Deßel, sein Sohn. 1811 ersuchte Heyum Samuel aus Delkenheim um Erlass seiner Schulden bei der Michelsbacher Hütte. 1859–79 sprechen die Akten von einem »Synagogenlokal« in Delkenheim 2007 wurden in einem Privathaus zahlreiche Schriftstücke aus der jüdischen Familie eines Getreidehändlers der Zeit um 1800 entdeckt.

1605 wird erstmals ein Lehrer in Delkenheim erwähnt. 1618 wurde eine Schule neben der Kirche erbaut, der Lehrer, der zugleich das Amt des Glöckners versah, erhielt zu seinem Unterhalt v. a. Naturalien. Die Schülerzahl erhöhte sich zu Beginn des 19. Jahrhunderts auf 70, daher erwarb die Gemeinde 1819 ein Wohnhaus und funktionierte es zum Schulhaus um. 1848 trat Wilhelm Dietz, der Großvater des Heimatdichters Rudolf Dietz, die Lehrerstelle in Delkenheim an. Zwischen 1962 und 1969 wurden die Karl-Gärtner-Schule und ein weiterer Schulneubau mit 21 Klassen, eine Turnhalle und Sportanlagen errichtet. Ein Bürgerhaus entstand 1974. In der Siedlung am Wiesengrund erbaute man ein katholisches Gotteshaus mit Gemeindezentrum.

1457 existierten in Delkenheim 32 Häuser. Kurz vor dem Dreißigjährigen Krieg wurden 64 Haushalte gezählt, nach seinem Ende 1637 war deren Zahl auf 13 geschrumpft. 1707 lebten 66 Familien, 6 Beisassen und zwei Juden in Delkenheim. Ende des Jahrhunderts wird die Einwohnerzahl mit 523 angegeben. In Folge der napoleonischen Kriege und der Besatzung durch russischen Kriegsvölker nahm sie zu Beginn des 19. Jahrhunderts wieder etwas ab und lag 1803 bei etwa 500. 1852 lebten 645 Menschen in Delkenheim, 1910 knapp 1.000 Einwohner. Der Delkenheimer Wein, der in Qualität dem Hochheimer und Rauenthaler gleichkommt, wird bereits in einem Eppsteinischen Lehensverzeichnis von 1290 genannt. Das Weinanbaugebiet war in früherer Zeit viel größer als heute; 1457 nannte Gottfried VII. von Eppstein 17 ½ Morgen Weingärten in Delkenheim sein Eigen; diese Fläche wird auch noch beim Verkauf des Ländchens 1492 genannt. Nach dem Dreißigjährigen Krieg wurde sie jedoch zur Hälfte, seit 1693 dann komplett als Ackerland genutzt. 1775 gab es in der Gemarkung Delkenheim noch 65 ½ Morgen Weinberge. Diese verringerten sich aufgrund der wachsenden Bevölkerung zu Gunsten des Ackerbaus auf nur mehr 16 Morgen vor dem Ersten Weltkrieg und auf 1,5 ha im Jahr 2000. 1775 bestand der Ort aus Kirche, Schule, Pfarrhaus, 80 Hofraiten und 4 Gemeindehäusern, einer Mühle, 57 Ökonomie-Gebäuden. 83 Familien mit 314 Seelen, darunter 11 Knechte und 25 Mägde, bebauten 1.653 Morgen Ackerland, 65 1/2 Morgen Weingärten und 262 Morgen Wiesen. Bis zum Ersten Weltkrieg war die Landwirtschaft der Haupterwerbszweig.

Ein grundlegender Strukturwandel, verbunden mit einer rasanten Bevölkerungszunahme, vollzog sich erst seit den 1950er-Jahren. 1957 zählte die Gemeinde Delkenheim bereits 1.463 Einwohner, 1987 waren es 5.517. 2016 lebten ca. 5.000 Menschen in Delkenheim. 1959 wurde eine zentrale Wasserversorgungsanlage in Betrieb genommen und Baugelände in größerem Umfang ausgewiesen. Zum 01.01.1977 wurde Delkenheim nach Wiesbaden eingemeindet.

Literatur

Bach, Adolf: Die Siedlungsnamen des Taunusgebietes in ihrer Bedeutung für die Besiedlungsgeschichte, Bonn 1927 [S. 52].

Bethke, Gerd S.: Main-Taunus-Land. Hist. Ortslexikon, Frankfurt a. M. 1996 [S. 34–36].

Hessel, Hans-Jürgen: Befestigte Kirchen (Wehrkirchen): Einstieg in ein Kompendium, Neustadt in Holstein 2014 [S. 68–74].

Eingemeindung von Delkenheim, 1977 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F001-2031, Urheber: Joachim B. Weber
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