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Schuricht, Carl

Schuricht, Carl

Dirigent

geboren: 03.07.1880 in Danzig

gestorben: 07.01.1967 in Corseaux-sur-Vevey (Schweiz)


Artikel

Der Sohn eines Orgelbaumeisters und einer Oratoriensängerin siedelte mit seiner früh verwitweten Mutter 1893 nach Wiesbaden über. Hier besuchte er das Königliche Realgymnasium und erhielt ersten Dirigierunterricht bei Franz Mannstaedt.

Während des Studiums an den Musikhochschule Berlin arbeitete er als Korrepetitor am Mainzer Staatstheater. Wegen gesundheitlicher Probleme pausierte Schuricht mehrere Jahre, bevor er 1906 die Stelle als Dirigent an der Dortmunder Philharmonie annahm. Es folgten Anstellungen in Zwickau, Bad Kreuznach und Frankfurt am Main. 1912 wurde er als städtischer Musikdirektor nach Wiesbaden berufen. 1922 zum Generalmusikdirektor ernannt, übte er diese Position bis 1944 aus. Er leitete das Kurorchester und von 1913–37 mit Unterbrechungen den Cäcilienverein. Mit seinem Wirken wuchs die überregionale Ausstrahlung von Wiesbaden als Musikstadt. Ab 1933 führten ihn Gastdirigate nach Wien, Berlin und Stuttgart. 1935 leitete er das Rundfunkorchester Stuttgart in einem Festkonzert der SS-Standarte 13 aus Anlass des Geburtstages von Reichsführer-SS Heinrich Himmler. Schuricht leitete zudem Konzerte zugunsten von „Kraft durch Freude“ und des Winterhilfswerks.

Im September 1933 trennte sich Carl Schuricht von seiner als Jüdin verfolgten dritten Ehefrau, die daraufhin ins Exil ging. Da die Trennung aus Sicht der NS-Behörden nicht vollständig vollzogen war, wurde Schuricht 1935 nicht für das Wiesbadener Festkonzert zu Ehren Adolf Hitlers engagiert. Im Sommer 1944 wurde er auf die sogenannte Gottbegnadeten-Liste des Reichspropagandaministeriums aufgenommen. Ende des Jahres emigrierte der Dirigent in die Schweiz.

Schwerpunkte seiner Interpretationen waren die Sinfonien Bruckners und Mahlers (»Sinfonie der Tausend« 1913, »Gustav-Mahler-Woche« 1920 u. 1921). Darüber hinaus machte er Wiesbaden mit Arnold Schönbergs »Gurre-Liedern« und Frederick Delius’ »Eine Messe des Lebens« bekannt. Bei den Werken von Beethoven, Bach, Händel, Haydn, Brahms oder Schumann überzeugte er durch seinen »Hang zu starker Vergeistigung der Interpretation«. Schuricht war in Europa und Übersee als Gastdirigent gefragt. Er trat für die Organisation »Kraft durch Freude« und in den besetzten Gebieten auf.

Nach 1945 wirkte er hauptsächlich beim Radio-Sinfonieorchester des Süddeutschen Rundfunks in Stuttgart. 1953 ernannte man ihn zum Ehrenbürger der Stadt Wiesbaden. 1973 wurde eine Straße, in der er gewohnt hatte, nach ihm benannt. Im Kurhaus Wiesbaden erinnern der Salon »Carl Schuricht« und ein Denkmal vor dem Christian-Zais-Saal an den Dirigenten

Seine Urne wurde auf dem Nordfriedhof beigesetzt.

[Der vorliegende Text wurde 2012 von Wolfgang Jung für die gedruckte Version des Stadtlexikons Wiesbaden erstellt und 2023 von Dr. Katherine Lukat ergänzt]

Literatur

Schaal, Richard; Tappolet, Willy: Carl Schuricht. In: Musik in Geschichte und Gegenwart, 1949–1986, Bd.12, Sp. 328.

Büste von Carl Schuricht, um 1980 wiesbaden.de/ Stadtarchiv Wiesbaden, F001-2437, Urheber: Joachim Weber
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